Der Dokumentarfilm „Mein Leben auf unserem Planeten“ stellt bildstark die dramatische Veränderung der Natur innerhalb eines Menschenlebens dar, das des Protagonisten David Attenborough. Jedoch dokumentiert er nicht ausschließlich die Vergangenheit, sondern zeigt Alternativen auf, wie die Natur noch zu retten wäre.
Es ist der Ort, an dem eine der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte
geschehen ist – Tschernobyl. In dieser Szenerie aus Ruinen einer ehemaligen Stadt
und zurückkehrender Natur steht David Attenborough, und erzählt uns seine sowie
auch unsere Geschichte
Mit den fatalen Bildern der verlassenen Stadt wird eine Thematik aufgegriffen,
welche den Zuschauer den Großteil des Films begleiten wird: die Zerstörung
unserer Umwelt. Gekontert durch atemberaubende Aufnahmen der Tierwelt aller
Formen und Farben wird die Fallhöhe dessen, was unser Planet noch verlieren
könnte bewusst. Fantastische Luftaufnahmen aller Lebensräume der Natur und
sogar dem größten Lebewesen aller Zeiten, dem Blauwal, lassen den Zuschauer
erstaunen.
Diese Bilder stammen zwar aus vorherigen Produktionen
Attenboroughs, welche angesichts der sowohl perfekten technischen Umsetzung
als auch der Motivwahl trotzdem jedes Auge gespannt den Bildschirm verfolgen
lassen. Er spricht von der Vernichtung der Regenwälder, leer gefischten Meeren,
unvorhersehbarem Wetter und globalem Artensterben.
Seine Worte werden stets von passenden Filmaufnahmen untermalt.
Vor allem der Kontrast zwischen der in seiner Jugend scheinbar unberührten
Natur zum heutigen Ausmaß der Umweltzerstörung wirkt erschlagend.
Attenborough tritt als Fürsprecher der Natur und des Planeten auf, und es fällt
schwer an seiner Authentizität zu zweifeln. Schließlich ist er selbst auf den
teilweise 70 Jahre alten Aufnahmen zu sehen, bei der Entdeckung dessen was
der Film heute zu vermitteln und schützen versucht. David Attenborough nennt
sein Werk im Stile eines Dokumentarfilms eine Zeugenaussage über die
Geschichte des globalen Niedergangs. Parallel zu der Dokumentation wird auch
gezeigt, wie es Attenborough zu dem preisgekrönten Naturfilmer brachte, als der
er weltweit berühmt wurde.
In der einzigen mithilfe eines Schauspielers gedrehten Szene wird dargestellt, wie
seine Liebe zur Natur begann: mit Fossilienfunden in seiner Kindheit.
Es folgen reale Aufnahmen von einem jungen David Attenborough auf einem
Segelboot, aus einem Flugzeug steigend, beim Fang eines Krokodils und sogar
beim Kuscheln mit wilden Gorillas.
Attenboroughs Karriere
Attenborough hat mit seinen 95 Jahren ein beeindruckendes Leben gelebt, wovon
er 70 Jahre mit der Dokumentation und Erforschung der Natur verbrachte.
So gehören seine frühen Produktionen zu den ersten ihrer Art, und gründeten ein
neues Genre: das des Dokumentarfilms.
Mit der Erscheinung von „Mein Leben aufunserem Planeten“
im Jahre 2020 beweist Attenborough erneut, dass seine
Produktionen noch immer zu den besten der Welt gehören.
Ohne all die professionellen Mitarbeiter in den Bereichen Kamera, Ton, Schnitt,
Musik und Redaktion wäre das wohl nicht möglich gewesen.
Jedoch macht Attenboroughs Talent für das Erzählen von Geschichten und sein
Wortwitz, sowie seine lebenslange Erfahrung und spürbare Liebe für die kleinsten
Details der Natur jede seiner Dokumentationen erst richtig besonders.
Dies scheint auch der breiten Masse nicht entgangen zu sein, so hat zum Beispiel
seine Serie „Life on Earth“ 500 Millionen Menschen erreicht.
Eine beeindruckende Entwicklung für einen Mann, dessen erste Sendung ca.
10.000 Zuschauer hatte. Für seine Leistungen wurde er mit mehr als 30
Ehrendoktortiteln ausgezeichnet, und 1985 von Königin Elizabeth zum Ritter
geschlagen. Mehrere Tier-, Pflanzen-, und Insektenarten, aber auch eine
Meerenge und ein Forschungsschiff wurden nach ihm benannt.
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die immense Sympathie und
Authentizität des Sir David Attenborough ist unbestreitbar.
Die traurige Wahrheit
Mit der Premiere von „Mein Leben auf unserem Planeten“ gipfeln die vielen Jahre
Attenboroughs Forschung und Dokumentation, mit dem dringenden Ziel vielleicht
doch noch einen Unterschied machen zu können. Attenborough spricht von der
Entwicklung der Spezies Mensch, und mahnt eindringlich: Wir müssen zur
Nachhaltigkeit vergangener Zeiten zurückkehren. Ansonsten stehe uns eine
düstere Zukunft bevor.
Durch die regelmäßige Einblendung von Daten (steigende
Weltbevölkerung/ Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre/ verbleibende Wildnis)
von 1937 bis 2020 erhält der Zuschauer einen traurigen Eindruck über den
Zustand des Planeten. Seine Worte wirken kombiniert mit unverblümten Bildern
der schwindenden Natur erdrückend, fast schon deprimierend.
„Es geht nicht darum den Planeten zu retten, sondern uns selbst. Die Natur wird
sich wieder erholen, mit oder ohne uns.“
Frischer Wind kommt auf
An dieser Stelle schließt die Dokumentation das Kapitel der traurigen Wahrheit,
und konzentriert sich auf positive Maßnahmen, anstatt in apokalyptischem Denken
zu verfallen. Attenborough reflektiert Ideen und Techniken zur Rettung des
Planeten / unseres Lebens.
Er spricht von Armutsbekämpfung, um den Anstieg der Weltbevölkerung
aufzuhalten, fangfreie Zonen in den Weltmeeren einzurichten, biologische Vielfalt
und Wildnis wiederherzustellen und die Ernährung auf eine fleischfreie
umzustellen.
Ein hoffnungsvoller Plan
Doch diese Vorschläge sind nichts Neues, was also unterscheidet Attenboroughs
Plan von anderen? Die Antwort ist so einfach wie effektiv: Er zählt wohl
ausgewählte Beispiele der Gegenwart auf, die seinen Plan erstaunlich realistisch
wirken lassen. So hat es Costa Rica geschafft, seine Waldfläche um ein vielfaches
wiederherzustellen, der Inselstaat Palau zeigt auf, wie fangfreie Zonen in nur
kurzer Zeit zu altem Leben zurückfinden, und die Niederlande weisen durch
innovative und effektive Landwirtschaft Richtung Nachhaltigkeit in der Zukunft.
Die Dokumentation wandelt die zu Beginn traurige und erschlagende Stimmung
erfolgreich zu einem Gefühl der Möglichkeiten und Veränderung. Es kommt einem
wie frischer Wind in den Segeln vor, bereit vorzustoßen und die Natur zu retten.
Diese Phase der Hoffnung ist im Verhältnis zu anderen Dokumentationen sehr
lang, und somit ein weites Argument, sich dieses vielleicht letzte Meisterwerk
Attenboroughs anzusehen.
Der erschütternde Einstieg über Tschernobyl erhält gegen Ende der Dokumentation
eine tiefere Bedeutung, denn selbst an diesem Ort der Katastrophe ist das Leben zurückgekehrt.
Folglich ist es keine Fantasie, sondern eine reale Chance für die Menschheit, dies auch in
anderen Regionen der Erde umzusetzen.
Ein Dokumentarfilm der Extraklasse
David Attenboroughs Zeugenaussage bildet meiner Meinung nach ein Abbild
seiner vielfach ausgezeichneten Produktionen bei der BBC.
Es ist sozusagen der Director’s Cut seiner Karriere. Seine Energie und Charisma durchzieht den
Dokumentarfilm von Anfang bis Ende, denn trotz seines hohen Alters wirkt
Attenborough sehr jugendlich und modern.
Obwohl es sich nicht um einen Spielfilm handelt, wird durch Weltklasse Kameraarbeit,
Musik, Dramaturgie und Attenboroughs persönliche Qualitäten konstante Spannung geschaffen.
Auch für weniger Naturverbundene Menschen spreche ich eine klare Empfehlung
für dieses Meisterwerk aus. Für Interessierte schlage ich außerdem
Attenboroughs Serien „Unser Planet“ erschienen 2019, und „Das Leben in Farbe“
erschienen 2020 vor. Beide Serien schaffen wie der hier behandelte
Dokumentarfilm die Illusion, dass die Zeit verfliegt. Die Veröffentlichung dieser
Werke könnte nicht passender sein, denn sie schaffen dringende Aufklärung zu
Zeiten des Klimawandels. Die Zerstörung der Natur aufzuhalten ist schließlich
unser aller Aufgabe.
Mein Leben auf unserem Planeten
Genre: Dokumenation
Veröffentlichung: 16.04.2020 (Dänemark)
Laufzeit: 83 Minuten
Regie: Alastair Fothergill, Jonathan Hughes, Keith Scholey
Besetzung: David Attenborough, Max Hughes
Network: Netflix